Pünktlich zum diesjährigen «Black Friday» am 27. November ging sie online: Die Auktion einer «1st Edition Base Set» Booster Box von 1999 in deutscher Sprache. Schon nach kurzer Zeit fiel die 10’000-Franken-Marke, nach 48 Stunden stand das Gebot bei über 25’000 Franken – und die Auktion dauert noch bis zum 6. Dezember.
Es ist – so darf man wohl behaupten – DIE Auktion des Jahres für Sammler von Pokémon-Karten in der Schweiz. Im Vorfeld hat die Auktion für so viel Wirbel gesorgt, dass sogar die Schweizer Tageszeitung «20 Minuten» darüber berichtet hat. So viel Geld und Aufmerksamkeit für ein paar Karten bunten Kartons – was steckt dahinter?
Zuerst zum Objekt der Auktion, für diejenigen die es möglicherweise noch nicht vollständig realisiert haben: Angeboten wird eine original verschweisste („sealed“) Booster Box des allerersten Pokémon-Kartensets von 1999, des sogenannten «Base Set». Und nicht nur das: Auch handelt es sich hierbei um eine «1. Edition», also die allererste Druckauflage dieses damals noch sehr jungen Hobbies. Als Erinnerung: Damals konnte noch kaum jemand auch nur ahnen, wie gross «Pokémon» im Laufe der Zeit werden würde. Wer damals schon die Voraussicht hatte, den echten Wert von frühen Pokémon-Karten zwanzig Jahre später zu antizipieren: Wir ziehen unseren Hut.

Pokémon «1st Edition Base Set» Karten: Unglaublich selten
Blicken wir 21 Jahre zurück, realisieren wir, wie unwahrscheinlich es ist, dass heutzutage überhaupt noch eine solche «1st Edition Base Set» Box existiert: Nicht nur muss jemand die Geistesgegenwart gehabt haben, in ein damals komplett neues Kartenspiel – das «Pokémon Trading Card Game» – zu investieren. Nein: Die Person, die es damals gekauft hat (sofort nach Erscheinen, weil 1. Edition), muss auch die unmenschliche Disziplin aufgebracht haben, die Box nicht sofort zu öffnen und alle Booster Packs aufzureissen. Schliesslich wusste man ja schon damals, dass begehrte Karten wie das Glurak, Turtok oder Bisaflor (eine nicht näher genannte Tageszeitung nennt es «Pisaflor» – warum auch immer) in den Packs darauf warteten, gefunden, ausgepackt und auf dem Schulhof den verblüfften Kameraden gezeigt zu werden.
Aktueller US-Hype als Gradmesser für Rekordpreise?
Das Timing für die Auktion könnte nicht besser sein, denn wie Pikachu surft sie auf einer Hype-Welle: Diesen Herbst scheinen die Pokémon allgemein – und Pokémon-Sammelkarten speziell – ein absolutes Revival zu erleben. Immer wieder war das Hobby der Pokémon-Karten in den Medien: Zuerst hat der bekannte YouTuber Logan Paul eine englische Version dieser «1st Edition Base Set Booster Box» für über 200’000 US-Dollar gekauft und umgehend zu einem beachtlichen Gewinn sehr publikumswirksam auf einem Online-Stream geöffnet – das Video verzeichnet bereits über 10 Millionen views.

Daraufhin hat auch der Rapper Logic tief in die Tasche gegriffen und für eine einzelne Karte – das beliebte «Charizard», hier «Glurak» – über 180’000 US-Dollar bezahlt. In der Folge dieser neu gewonnenen Popularität auf allen «Social Media»-Kanäle ist in nicht wenigen Zuschauern die Nostalgie erwacht. Dies hat zur Situation geführt, dass nun gefühlt jede dritte Person zwischen 12 und 42 auf der Suche nach Pokémon-Sammelkarten «aus der guten alten Zeit» ist und entsprechende Summen für dieses Stück Nostalgie dafür bezahlt werden.
Die Hoffnung der Bieter: Reichtum durch wertvolle Karten
A propos bezahlen: Natürlich werden für gut erhaltene Karten aus der Ursprungszeit der Pokémon-Karten erhebliche Summen bezahlt. Der wichtigste Faktor für den Wert einer Karte ist dabei der Zustand. Während vom «Glurak» des «Base Set» der ersten Edition möglicherweise tausende Karten in Umlauf sind, haben nur einige wenige die Probe der Zeit bestanden. Verständlich: Als wir, die CardCollectors, noch zur Primarschule gingen, haben wir diese Karten ungeschützt in den Schulthek geworfen, mit Elastikbändern umwickelt und vielleicht sogar in der Hosentasche mit in Mamas Waschmaschine gegeben. Keine dieser Karten hätte heutzutage noch die Chance auf den hohen Wert, der für packfrische Karten geboten wird.
Und so ist die Hoffnung wahrscheinlich nicht weniger Bieter dieser «1st Edition Base Set Booster Box», dass sie nach dem Kauf die 36 in der Box enthaltenen «Booster Packs» aufreissen können – in der Hoffnung, ein Glurak der 1. Edition zu finden, von einem professionellen Bewertungs-Service «graden» zu lassen und damit potenziell ein Vermögen zu verdienen.
Wer steckt hinter der Auktion? Die Anbieter der wertvollen Pokémon Booster Box
In der Schweizer Pokémon-Community sind die Anbieter hinter der aktuell heiss gehandelten «Base Set Booster Box» keine Unbekannten. Besitzer ist der langjährige Sammler Tarek. Gemeinsam mit einem anderen Sammler, Simon, bietet er seinen Schatz nun der Schweizer Pokémon-Sammler-Community zur Ersteigerung an.
Auf die Anfrage von «CardCollectors», warum er sich gerade jetzt von seinem wertvollen Besitz trennt, meint Tarek: «Ich denke, jetzt ist die Ideale Zeit, dass ich mich von meinem Investment trenne und diese seltene Box für andere Sammler in der Schweiz verfügbar mache. Mit all der Publicity um Pokémon-Karten in der jüngsten Zeit kann ich beruhigt sein, dass der Wert dieser 1st Edition Box – eigentlich der „heilige Gral“ der Pokémon-Karten – jetzt auch wirklich wertgeschätzt wird.».
Gekauft hatten Tarek und Simon die Booster Box vor drei bis vier Jahren für ungefähr 800 Franken. Nun erwarten sie einen Verkaufserlös von rund 40’000 Franken für ihr Investment – ein «ROI» oder «Return on Invest» von rund 4’900% oder eine Rendite von rund 205% Prozent pro Jahr auf 3.5 Jahre. Ein Wert, der sogar gestandene Investoren aufhorchen lassen dürfte. Pokémon-Karten als Wertanlage? Definitiv kein schlechter Deal für die beiden. «Damals war dies der übliche Marktpreis für diese Box und ich wollte mir diesen Wunsch endlich erfüllen, nachdem ich schon während meiner Lehre davon geträumt hatte, aber das Geld damals noch knapp war», sagt Simon zur damaligen Marktsituation dieser Seltenheit.

Was hat die beiden vor etwas über drei Jahren dazu bewegt, das Geld für eine «1st Edition Base Set Box» in die Hand zu nehmen und in diese bunten Karten zu investieren? Es dürften sich nicht wenige Freunde oder Familienangehörige über die «kindliche» Obsession lustig gemacht haben, oder?
Dazu Simon: «Was mich dazu bewegt hatte waren tollen Kindheitserinnerungen. Pokemon war in meiner Kindheit das grösste, ich sah es nie als Investment und noch heute bin ich leidenschaftlicher Pokemon Fan.» Er sei nicht wirklich belächelt worden über das Hobby, jedoch um die Summen die der dafür Ausgab: «Gestört hat mich das jedoch nie.» Lediglich als schönen Nebeneffekt betitelt Simon, dass er heute sagen kann: «Es hat sich gelohnt, diese Investitionen damals zu tätigen, als der Wert noch niedriger war.» Simon ist selbst auch Pokémon-Unternehmer mit seiner Firma «Black Triangle» und die «CardCollectors»-Community dürfte ihn bereits kennen, denn er gehört zum CardCollectors-Team, das dafür sorgt, dass Pokémon-Kartensammler in der Schweiz ihre wertvollsten Karten in ein «Grading» senden können. Für nächstes Jahr sind von Simon zudem weitere Dienste und Produkte für Sammler geplant.
Die beiden Schweizer Pokémon-Kartensammler hoffen denn auch, dass ihre «1st Edition Base Set»-Box ein gutes neues Zuhause findet. «Unser Wunsch ist es, dass ein echter Pokémon-Sammler der ersten Stunde die Box ersteigert – und im Idealfall die Booster einzeln weiterverkauft, um möglichst vielen Fans zu ermöglichen, ein Stück Pokémon-Historie zu erlangen», meinen sie beide übereinstimmend.

Bereits seit Anfang der Auktion verteidigt dabei der Schweizer Pokémon-Kartensammler Jan mit dem klingenden Nutzernamen «Pokemonschweiz» konsequent das höchste Gebot. Wird er auch am Schluss die Führung bei diesem ganz speziellen Angebot beibehalten können? «CardCollectors» hat nachgefragt und Jan ist auf jeden Fall überzeugt: «Das Ziel dieser Auktion ist es, die Box zu ersteigern und damit der Schweizer Pokemon Community etwas zurück zu geben. Falls die Box das Budget für eine Person alleine sprengt, werde ich mit meinen Sammelfreunden zusammenlegen und so dieses Jahr mit einem grossen Event zu beenden – einem Boxbreak». Dies würde bedeuten, dass der Sammler diese Box aus 1999 öffnen und die Booster einzeln verkaufen würde. Bieter Jan meint weiter: «Dies ist für mich die Chance, dieses unglaubliche Pokemon Jahr mit einem geschichtsträchtigen Event zu beenden – und ich hoffe gleichzeitig, damit der Community einen Gefallen zu tun».
Das Phänomen Pokémon: Warum jagen alle nach Glurak und Pikachu?
Wie auch andere Wertanlagen, lebt auch der Wert von Pokémon-Karten vom Prinzip von Angebot und Nachfrage. Und genau hier liegt der Reiz für Sammler: Pokémon-Sammelkarten sind nicht immer und überall erhältlich. Besonders ältere Karten von vor 10, 15 oder gar 20 Jahren befinden sich oft im Besitz von Sammlern, die sich um kein Geld der Welt meh davon trennen würden.
Gleichzeitig strömen täglich neue Käufer ins Hobby, denn die Pausenplatz-Sammler von damals sind erwachsen geworden, haben oft verfügbares Geld auf der Seite und wollen durch Pokémon-Karten von damals ein Stück Jugend und Nostalgie zurückkaufen.
Und die Taschenmonster waren nie weg: «Pokémon» ist die wertvollste Medien-Franchise der Welt – wertvoller als Disney, wertvoller als «Hello Kitty» oder «Star Wars». In der Entertainment-Welt sind die Pokémon Giganten: Es gibt sie nicht nur als Sammelkarten, sondern auch als Kleidung, Spielzeuge, Plüschfiguren, in Filmen und Serien, als Accessoires und – natürlich – in mittlerweile acht Generationen von Computer-Games. «Pokémon» dürften den Meisten 5-bis 50-Jährigen ein Begriff sein.

Und der Pokémon-Hype hat auch nach 25 Jahren seinen Höhepunkt noch nicht erreicht: Sogar «Pokémon Go», das App-Phänomen des Sommers 2016, das tausende Menschen auf Strassen und in Parks brachte, hat 2020 sein bisher bestes Jahr gehabt und in diesem Jahr bereits über eine Milliarde US-Dollar an Umsatz generiert – trotz aller Einschränkungen in diesem speziellen Jahr.
Pokémon besitzen die unglaubliche Gabe, sich immer wieder neu erfinden zu können und landen so auf den Plattformen, auf denen ihre immer wieder erneute Zielgruppe sich befindet: Instagram, TikTok und die Stream-Plattform Twitch sind genauso wenig sicher vor den Taschenmonstern wie auch YouTube: Nicht wenige YouTuber verdienen ein (gutes) Gehalt davon, regelmässig neuen Pokémon-Content an ihre interessierten Subsciber auszuspielen. «Unlisted Leaf» zum Beispiel, ein etablierter YouTuber, hat über zwei Millionen Abonnenten, die ihm mehrmals pro Woche alleine dabei zuschauen, wie er Pokémon-Päckli öffnet.
Wir sehen also: Die «Pokémon» haben sich eben erst warmgelaufen. Mit der aktuell reisefreien Situation investieren viele ihr Geld in Hobbies, denen sie von zu Hause aus nachgehen können, statt grosse Reisen zu unternehmen. Und mit dem anstehenden 25. Jubiläum wartet wohl das eine oder andere weitere Highlight auf die weltweite Fangemeinde.